Clubs, Bars und Scheunen. (Auszug) Author: ritsch
Datum: 2002/06/13 21:47:39 GMT+2
Eine Visite der neuen Lokale der österreichischen Noise-, Pop- und Jazzszene Als ein nervöses, a-rythmisches Staccato von pulverisierten Klängen kommt die Musik aus den Lautsprechern und erinnert dennoch irgendwie an eine Rockband und das hat seinen Grund. 12. April 2002, Graz, Dreihackengasse 42: Seit kurzem trift man sich in dieser Stadt, die eine ja große Geschichte der off-organisierten sozialen Kulturräume hat und deren letzte wahrlich verrückte und genreübergreifende, autonome Abendserie und Freigeistervereinigung sich vor circa zehn Jahren ?Fonds? nannte, heute also trifft man sich in dieser Stadt im Celery's. Tagsüber ein Ort des vegetarischen Essens zu einer exquisiten Auswahl von Frucht- und Gemüsesäften, mutiert dieser ehemalige Autobusbahnhof, in dessen verfliestem Kartenverkaufsraum sich nun die Gaststube als eine Art Wohnzimmer mit absurd grindigem Charme befindet, des Abends zu einem verrauchten Ort unabhängiger Kulturarbeit. Heute ist Tonto-Abend, Bands in the Box. Tonto ist ein Grazer CD-Label und eine musikalische Organisationszentrale. Rockbands ? ?unsere Jungen? ? sind ebenso dabei, wie erfahrene Meister des musikalisch-technologischen Independent-Daseins aus Graz: Die Komponisten und Musiker Bernhard Lang, Winfried Ritsch, Robert Lepenik zum Beispiel. Die riesige, mittlerweile leere Halle für Autobusse biete sich an für Underground-Gitarrenrock, denkt man, aber unglücklicherweise darf dort (zur Zeit) nicht allzuviel Lärm produziert werden. Die Tontos fanden eine künstlerische Antwort auf das organisatorische Poblem: Die Bands wurden eine nach der anderen in einen kleinen, extra dafür angefertigten Holzkubus verfrachtet, der nun irgendwie verloren und halblaut vor sich hinwummernd in der Bushalle steht. Das eigentliche Konzert aber, laut wie es sich gehört, findet in einem kleinen, vorderen Clubraum gleich neben der Gaststube statt: Der musikalisch-technologische Wizard Winfried Ritsch bewerkstelligt die live-Übertragung des Konzerts in Bild und Ton von der Halle in den Club, nach jeder Band macht sich ein experimenteller Remixer ans Werk, Bernhard Lang und Helmut Kaplan zum Beipsiel, bevor die nächste Band ihren Kurzauftritt in der Box absolviert. Alles in allem erweist sich die Tonto-Nacht im Grazer Celery's als eine grandios abstruse Mischung aus Ironie und Low-Tech-Anschein einerseits, technischer Raffinesse und theoretischer Hinterfragung andererseits. Das Paradoxon aus offenem Clubabend und enigmatischem Konzert lebt man sowieso. |